„Für das Land Niederösterreich ist es von großer Wichtigkeit, die Schattenseiten unser dunkelsten Geschichte aufzuarbeiten und aufarbeiten zu lassen, damit wir diese niemals vergessen und sie sich nie wiederholen. Es braucht eine aktive Erinnerungskultur“, sagte Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner am gestrigen Mittwoch bei einem Festakt zum 35-Jahre-Jubiläum des Instituts für jüdische Geschichte Österreichs (INJOEST) im St. Pöltner Rathaus.
Gerade in herausfordernden Zeiten sei es wichtig, das Jubiläum des INJOEST zu feiern, damit man der Geschichte der Jüdinnen und Juden in Niederösterreich gerecht werde: „Das INJOEST leistet seit 35 Jahren wertvolle Arbeit bei der Dokumentation und Wissensvermittlung, Erforschung und Sichtbarmachung des jüdischen Lebens, weil wir alle nicht genug wissen können über die jüdische Geschichte und Kultur und vor allem die Gräuel der Vertreibung und Vernichtung jüdischer Familien in Niederösterreich. Das INJOEST ist das Kompetenzzentrum zur jüdischen Geschichte und aus St. Pölten nicht mehr wegzudenken“, betonte die Landeshauptfrau.
Unter ihrer wissenschaftlichen Leiterin Martha Keil sei das INJOEST Motor der Sanierung und Renovierung der ehemaligen Synagoge, die 110 Jahre nach ihrer Errichtung wieder in ihrem alten Glanz erstrahlen und zu seiner der wichtigsten Säulen im Kulturjahr 2024 werden solle, fuhr Mikl-Leitner fort und ergänzte: „Wir übernehmen Verantwortung für ein einzigartiges Bauwerk und ermöglichen die Vermittlung jüdischer Kultur und jüdischen Lebens als unschätzbare Bereicherung und unverzichtbarer Bestandteil für unsere Gesellschaft und den Kampf gegen antisemitische Tendenzen in einem wirklich großartigen Ambiente“.
„Unser klarer Auftrag ist es, mit aller Kraft daran zu arbeiten, dass wir alle die Vergangenheit kennen, um die Gegenwart verstehen und die Zukunft gestalten zu können. Möge das Forschungsinteresse des INJOEST nie verglühen, möge sich die Wirkung des Instituts weiter entfalten und viele Menschen sensibilisieren“, meinte die Landeshauptfrau.
Bundesminister Martin Polaschek erklärte in einer Videobotschaft, das INJOEST sei eine der zentralen Einrichtungen zur Erforschung jüdischer Geschichte und Kultur in Österreich: „Hier trifft Schule auf Wissenschaft, so ist auch die ehemalige St. Pöltner Synagoge zu einem Lernort geworden und leistet einen wichtigen Beitrag für eine lebendige Erinnerungskultur“.
St. Pöltens Bürgermeister Matthias Stadler unterstrich, dass sich die ehemalige Synagoge nicht von der Geschichte der Stadt trennen lasse, die jüdische Gemeinde habe einen Teil der Stadt geprägt: „Auch St. Pölten hat eine NS-Vergangenheit, die nicht unter den Teppich gekehrt werden darf. Das INJOEST hat die dringend nötige Aufarbeitung dieser Geschichte beflügelt“.
Hannah Lessing, Generalsekretärin des Nationalfonds der Republik Österreich für Opfer des Nationalsozialismus, bezog sich auf die Zusammenarbeit mit dem INJOEST im Bestreben, die jüdische Geschichte in Österreich der Vergessenheit zu entreißen: „Das INJOEST war eine der ersten starken Stimmen, die dagegen ankämpfte, dass das einst blühende jüdische Leben auch nach 1945 lange Jahrzehnte verschüttet war und verschwiegen wurde“.
Ernst Strouhal von der Universität für angewandte Kunst in Wien erinnerte in seiner Festansprache an jene Menschen, die wegen ihrer Herkunft hier keine Zukunft haben durften, ihre Empfindungen des Verlusts und ihr Leid des Vertrieben-Werdens: „Den Begriff Rasse auf Menschen anzuwenden, ist völlig sinnlos. Es darf keine Demokratie geben, in der die Würde des Menschen in Frage gestellt wird“. Darüber hinaus übte er harte Kritik am schwarz-blauen Regierungsübereinkommen in Niederösterreich. „Wer mich kennt, weiß, dass mein Tun und Handeln von Toleranz, Weltoffenheit und dem Kampf gegen Antisemitismus geprägt ist“, replizierte Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner, als sie zum Abschluss des Festaktes Martha Keil aus Anlass ihres 65. Geburtstages den Gläsernen Leopold überreichte.
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