Der Landtag von Niederösterreich trat heute unter dem Vorsitz von Präsident Ing. Hans Penz zu einer Sitzung zusammen.
Abgeordneter Dr. Martin M i c h a l i t s c h (VP) berichtete zu einem Antrag der Abgeordneten Mag. Dr. Petrovic u. a. betreffend Abschaffung des Proporzes bei gleichzeitiger Stärkung der Kontrolle und Minderheitenrechte im Landtag.
Klubobmann Mag. Klaus S c h n e e b e r g e r (VP) meinte, die Frage der Zusammensetzung der Landesregierung sei eine elementare Frage der Demokratie. Daher sei es legitim, dass sich der Landtag damit auseinandersetze und sich jede Partei positioniere, warum sie für oder gegen den Proporz sei. In der Vergangenheit sei es eine Selbstverständlichkeit gewesen, gemeinsam Verantwortung für das Land zu übernehmen. Aber in dieser Funktionsperiode habe man die Grenzen des Systems erkannt. Schneeberger blickte einige Zeit zurück und erinnerte an die Aufnahme der Verhandlungen zwischen VP NÖ und SP NÖ. Die VP NÖ sei über ihren Schatten gesprungen und habe die Tür für die Abschaffung des Proporzes weit geöffnet. Am 16. Dezember habe die SP NÖ jedoch mit ihrem Nein diese Tür völlig überraschend wieder zugemacht. Der Klubobmann hielt fest, dass im Falle einer Abschaffung des Proporzes unabhängige Experten eingeladen worden wären, mitzuregieren. In Niederösterreich gebe es nicht diesen Fortschritt, hätte es nicht diese klare Mehrheit gegeben, betonte er. Abschließend brachte er einen Abänderungsantrag ein, der ein Inkrafttreten mit Beginn der 18. Gesetzgebungsperiode des NÖ Landtages vorsieht.
Klubobfrau Dr. Madeleine P e t r o v i c (G) sprach anlässlich der von den Grünen initiierten Landtagssitzung von einem historischen Tag. Ihre Partei hätte schon 2009 einen Antrag gestellt und eine Demokratiereform angeregt. FP und SP warf sie ein „Doppelspiel" vor, in dem nach außen hin Opposition betrieben würde, jedoch nach innen man gerne von den Informationen aus der Regierung profitiere. Sie forderte eine „echte Demokratiereform" in Niederösterreich. Leider ergebe sich derzeit das Bild, das in vielen Bundesländern eine zeitgemäße Entwicklung genommen werde und dies in Niederösterreich nicht stattfinde.
Klubobmann Gottfried W a l d h ä u s l (FP) vertrat die Meinung, dass es in diesem Land genug Arbeit gebe. Die Bürger würden etwa unter Gebührenerhöhungen leiden, während hier über eine Änderung der Regierung diskutiert werde. Das Argument, man müsse das System über Bord werfen, um wieder arbeiten zu können, sei „kein Argument, das hält". Wer mit der Mehrheit ausgestattet sei, könne und solle auch arbeiten.
Er meinte, das aktuelle Proporz-Regierungssystem in Niederösterreich habe sich über viele Jahrzehnte hindurch bewährt und garantiere, dass sich der Wählerwille in der Regierungszusammensetzung wiederfinde. Auch auf kommunaler Ebene in den niederösterreichischen Gemeinden funktioniere dieses System auf ähnliche Art und Weise, und die Bürger könnten mit ihrer Stimme mitentscheiden, welche Partei einen geschäftsführenden Gemeinderat stellen könne. Landesrätin Barbara Rosenkranz habe unter anderem mit der Bauordnung eine wichtige Kompetenz inne, und die FP habe trotz absoluter Mehrheit der VP viele Veränderungen zum Wohl der Bürger umsetzen können. Über Parteigrenzen hinweg etwas für die Bürger zu leisten, sei ein Gebot der Stunde. Darüber hinaus sei es aber wichtig, gewisse Minderheitenrechte und Kontrollrechte im Landtag aufzuwerten, die direkte Demokratie zu ermöglichen und die Bürger dabei mehr einzubinden.
Abgeordneter Karl M o s e r (VP) sagte, die aktuelle Landtagssitzung werde einen wichtigen Platz in der Geschichte des Landes Niederösterreich einnehmen. Die Bundesländer Tirol und Salzburg hätten bereits 1998 die Proporzregierung abgeschafft. Generell müsse man immer bereit sein zu arbeiten, wenn man einen Auftrag zur Regierungsbildung vom Wähler erhalte. Die beiden Landeshauptmann-Stellvertreter Onodi und Höger seien immer bereit gewesen etwas zu leisten, sowohl in der Regierung als auch im Landtag. Bestes Beispiel dafür wäre der seinerzeitige Beschluss zur Landeshauptstadt St. Pölten gewesen. Keine Partei könne gleichzeitig Regierungsarbeit und Oppositionsarbeit leisten. Mit der Abschaffung des Proporzes gebe es eine freie Regierungsbildung. Für eine erfolgreiche Politik im Land sei ein klarer Wählerauftrag notwendig, erinnerte er an die 600.000 unselbstständig Beschäftigten in Niederösterreich, die positive Wachstumsprognose für das Land und an eine aktuelle Umfrage der Landesakademie, nach der 96 Prozent der Landsleute mit der Arbeit im Land sehr zufrieden seien.
Abgeordnete Dr. Helga K r i s m e r - H u b e r (G) meinte, für das Land und für die Bürger könne mit dem heutigen Sonderlandtag Geschichte geschrieben werden. Heute bestehe die einmalige Chance, den „demokratiepolitischen Frühling" mit einem großen Demokratiepaket auszurufen.
Abgeordneter Erich K ö n i g s b e r g e r (FP) betonte, viel Positives für das Land sei in einem breiten Konsens in Landesregierung und Landtag beschlossen worden. Nach dem jetzigen Regierungsmodus würden die Grünen auch nach der nächsten Landtagswahl nicht mit einem Regierungsmitglied in der Landesregierung vertreten sein. Die Rechte der Oppositionsparteien müssten gestärkt werden, wozu es aber keiner Änderung im Regierungssystem bedürfe. Besonders notwendig seien aber eine Stärkung der Bürgerrechte und der direkten Demokratie. Man sollte in Niederösterreich vielmehr beispielsweise über Hürden diskutieren, die es im Bereich der Mitbestimmung durch das Volk gebe, anstatt über bewährte Systeme.
Klubobmann Mag. Günther L e i c h t f r i e d (SP) hielt fest, man müsse sich die Frage nach einer Scheindebatte gefallen lassen, andererseits sei der Landtag ein Ort des Austausches von Meinungen. Es würden bereits 95 Prozent aller im NÖ Landtag beschlossenen Anträge mit den Stimmen von SP und VP beschlossen. Gäbe es eine Steigerung auf 100 Prozent, würde die SP tatsächlich zu allem „Ja und Amen" sagen. Das werde es mit der Sozialdemokratie auch in Zukunft nicht geben. Weiters führte er an, dass es nicht möglich sei, eine Periode ohne Neuwahlen zu beenden. Er merkte an, dass es in der Frage Proporz oder Mehrheitssystem nicht nur Schwarz und Weiß gebe. Man habe im Unterausschuss festgelegt, dass aus allen Bundesländern und von allen Fraktionen Meinungen und Erfahrungen zur Einführung des Mehrheitssystems einzuholen seien - bis heute würde hiezu nichts vorliegen, man habe keine Erfahrungsberichte und Ergebnisse erhalten. Bevor es zur Abschaffung des Proporzes kommt, müsse es Beschlüsse und ein Demokratiepaket geben. Er meinte, dass beide zur Diskussion stehenden Systeme Vor- und Nachteile haben, es stehe die Frage im Raum, was Proporz tatsächlich bedeute. Man müsse vor einer Abschaffung des Proporzes alle Konsequenzen bedenken. In Tirol und Salzburg gebe es bereits Erfahrungen und diesbezügliche Abhandlungen und es stehe fest, dass die Abschaffung des Proporzes eine Stärkung der Landesregierung gegenüber dem Landtag bringt. Es müsse daher in der Diskussion mit besonderer Vorsicht vorgegangen werden. Ein weiteres Ergebnis aus den Bundesländern sei, dass das was nicht vor Abschaffung gesetzlich fixiert wurde, nie wieder gekommen sei. Für die Grünen in Niederösterreich stelle die Abschaffung des Proporzes aus gegenwärtiger Sicht die einzige Chance dar, einen Regierungssitz zu erklimmen. Dies sei, so Leichtfried, nicht der richtige Grund für eine derartige Diskussion. Die Diskussion sei legitim, sollte aber ohne Zwang und Hektik sowie unter Abwägung aller Vor- und Nachteile geführt werden. Die Zielrichtung müsse dabei eine demokratiepolitische sein. Die SP NÖ könne dem heutigen Antrag keine Zustimmung geben.
Klubobfrau Dr. Madeleine P e t r o v i c (G) merkte an, dass die SP im Ausschuss zu keiner Diskussion bereit gewesen sei. Die Grünen hätten Erfahrungen von anderswo eingeholt und es sei Fakt, dass es in Niederösterreich zu wenig Minderheitenrechte gebe. Ihr bzw. ihrer Fraktion gehe es darum, die Möglichkeiten einzelner Abgeordneter zu stärken. Die Tür sei hier eindeutig offen gewesen, die nicht eingelangten Erfahrungsberichte würden kein Argument darstellen.
Klubobmann Mag. Klaus S c h n e e b e r g e r (VP) beurteilte die Ausführungen von Klubobmann Leichtfried als „untauglichen Versuch, eine Rechtfertigung zu finden". Er sei grundsätzlich ein Sympathisant des Systems, aber ein System lebe von Menschen. Das System habe aufgrund agierender Persönlichkeiten dazu geführt, dass es nicht funktioniert habe. Er erwarte sich von Mitgliedern einer Regierungspartei, dass sie mithelfen, das Land weiter zu entwickeln. Die VP warte erhobenen Hauptes auf den Wahltag. Die VP-Regierungsmitglieder hätten dann fünf Jahre hervorragende Arbeit geleistet.
Landeshauptmann-Stellvertreter Dr. Josef L e i t n e r (SP) betonte, auch die Sozialdemokratie wolle eine Demokratiereform und eine Verbesserung der direktren demokratischen Rechte. Demokratisierung heiße aber auch, transparenter zu werden, z. B. hinsichtlich der Gemeindeförderungen oder der Kinderbetreuung.
Abgeordneter Mag. Gerhard K a r n e r (VP) sagte, im Hinblick auf seinen Vorredner, es sei ausgemacht gewesen, dass sich kein Regierungsmitglied zu Wort melde. Bei der VP sei ein Ja ein Ja und ein Nein ein Nein.
Abgeordnete Dr. Helga K r i s m e r - H u b e r (G) führte aus, es sei paktiert gewesen, dass sich die Regierungsmitglieder „zurückhalten".
Bei der folgenden Abstimmung fanden sowohl der Abänderungs- als auch der Hauptantrag mit den Stimmen von VP und Grünen nicht die erforderliche Zweidrittelmehrheit. Der Antrag des Abgeordneten Michalitsch u. a. (Miterledigung) wurde mit den Stimmen von VP und Grünen angenommen.
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